Autohaus Raffe
Die 85-jährige Cunewalder Erfolgsgeschichte eines Autohauses
Die Firmengeschichte des Autohauses Raffe begann am 01. Juli 1932. Otto Raffe, damals gerade einmal 21 Jahre alt, wagte den Schritt und eröffnete eine Fahrradreparatur-Werkstatt in den unteren Räumen vom Cunewalder Lichtspieltheater "Schauburg", also im längst abgerissenen alten Kino. Seinerzeit war die Konkurrenz groß in Cunewalde. Immerhin gab es insgesamt 6 Fahrradhändler mit Reparaturangeboten. 1934 zog Otto Raffe vom Kino in die ehemals als Schmiede genutzten Räume an der Hauptstraße neben dem Frisörgeschäft um. Neben Reparaturen bot er auch diverses Zubehör sowie Lederjacken, elektrische Holzbottichwaschmaschinen, Kleinkrafträder wie Zündapp, NSU, Fichtel & Sachs und alle möglichen Einzelteile zum Kauf an. Zudem war Otto Raffe Vertragshändler für Continental-Reifen. Dies wirkte sich nach dem 2. Weltkrieg sofort positiv aus, denn schon im Jahre 1945 waren wieder Conti-Reifen in Angebot bei Raffes. Das hört sich natürlich leichter an als es tatsächlich war. Die begehrten Reifen und auch Schläuche mussten in Dresden abgeholt werden, ein zur damaligen Zeit abenteuerliches Unterfangen, bei dem man sich unzähliger Kontrollen zu unterziehen hatte. Anstatt mit Geld wurde oftmals mit Naturalien gezahlt. Kartoffeln standen hoch im Kurs. Repariert wurde in der Werkstatt bei Otto Raffe alles, was zwischen 1918 und 1943 an Fahrrädern, Kräder und Kraftwagen gebaut wurde. Ersatzteile gab es kaum, Improvisation war an der Tagesordnung bei der Herstellung oder Umarbeitung von Teilen. Und das bei knappsten Vorräten an Gas und Sauerstoff. Mit einem Krad Fichtel & Sachs samt Anhänger wurden die dringendsten Materialien bis aus Berlin heran geschafft, bei Wind und Wetter versteht sich. Heute für die meisten Leute unvorstellbar.
Ein wichtiger Schritt war das Runderneuern und Vulkanisieren von Reifen und Schläuchen. Mit der eigenen Anlage wurde der große Engpass wenigstens etwas entspannt. Als dritte Werkstatt in der DDR erhielt Otto Raffe zu Anfang 1950 einen Werksvertrag mit den Motorenwerken in Zschopau. Durch MZ stabilisierte sich das Beliefern von Ersatzteilen deutlich. Mit der Spezialisierung auf Motorräder wurde die Fahrradreparatur eingestellt. Damit verbunden waren Erweiterungen der Werkstatt, ermöglicht durch den Abriss eines alten Nachbarhauses. 1957 wurde die geräumige Werkstatt gebaut. Im Jahre 1964 folgte der Abriss und Neubau des Teiles vom Wohnhaus, welches zur Straße liegt. Der Weg zum endgültigen Autohaus wurde im Jahre 1968 geebnet. Vor allem Werner Raffe beschäftigte sich mit der Aufgabe, nicht nur Kräder, sondern PKWs in das Reparaturprogramm aufzunehmen. Schnell kam ein Vertrag mit Trabant zustande. Zunehmend verdrängte die PKW-Reparatur nun das MZ-Programm.
Im Jahre 1972 übernahm Werner Raffe die Firma. Als Trabant-Vertragswerkstatt mit IFA-Service war sie bis zur politischen Wende eine bevorzugte Adresse in der Region. Schon im November 1989 nahm Werner Raffe erste Kontakte zu Volkswagen auf. Die Entwicklung voraussehend, musste er sein Unternehmen auf neue, feste Füße stellen. Das bedeutete auch, einen Neubau zu planen, denn die Cunewalder Werkstatt konnte die Anforderungen an ein funktionierendes Autohaus mit VW-Kriterien in keiner Weise erfüllen. Am Standort scheiterte der Neubau an der Grundstücksfrage, aus heutiger Sicht ein Glücksfall. VW hatte den Vertrag im Jahre 1990 mit der Maßgabe eines Neubaues unterzeichnet. Doch erst 1995 konnte er am bekannten Standort in Weigsdorf-Köblitz, der lagemäßig an der B96 natürlich in jeder Hinsicht viel günstiger war, errichtet werden. Im April 1995 erfolgte der erste Spatenstich und am 12. Oktober, gut 6 Monate später, wurde das neue Autohaus eingeweiht.
Seitdem hatte das Unternehmen trotz aller Härte am Markt eine gute Entwicklung genommen. Am besten lässt sich das am Vergleich der Beschäftigtenzahlen feststellen. 1995 hatte die Firma 12 Arbeitskräfte, im Jahr 2002 waren es 28 Beschäftigte. Die Firmengeschichte des Autohauses liest sich auch sonst gut. Ab dem 01.01.2000 wechselte das Geschäft den Inhaber. Werner Raffe überschrieb die Firma an seine Tochter Kirsten Raffe. Jahre später wurde Steffen Woschnik der Geschäftsführer. Zu diesem Zeitpunkt war Werner Raffe leider bereits erkrankt. Im Jahr 2002 feierte das Autohaus mit einem großen Sommerfest seinen 70. Jahrestag. Welche Leistungen hinter einer solchen Erfolgsgeschichte stehen, kann aber meist nur ermessen, wer aktiv daran mitgeschrieben hat. Doch die Arbeit ging weiter. Werkstatt, Service, Verkauf und Gastankstelle waren stets zu bedienen. Die Jahre nach der politischen Wende gestalteten sich anfangs noch recht gut und man ging optimistisch in die Zukunft.
Leider schritt die Krankheit von Werner Raffe unaufhörlich voran. Es verstarb schließlich am 10.02.2009. Die Zahl der Trauernden bei der Beerdigung war durch die Firmengeschichte und seine Karriere als Fußballer der SG Motor Cunewalde sehr groß. Aber es sollte am Köblitzer Standort noch tragischer kommen. Zunächst war das Unternehmen Raffe zu Ende des Jahres 2016 plötzlich kein Volkswagen-Fachbetrieb mehr, es wurde umstrukturiert. Den viele Jahre bestehenden Servicevertrag für VW und Audi hat die Firma zurückgegeben. Die Anforderungen, welche zuletzt Volkswagen stellte sowie alle Standards, die verlangt wurden, waren für Betriebe wie Raffe kaum noch zu stemmen. Ständig wurden neue Werkzeuge, Messplätze oder andere Ausrüstungen gefordert, die sehr teuer sind. Die Zahl der Beschäftigten ging ebenfalls um die Hälfte zurück. Zum 01. Januar 2017 wurde aus dem Autohaus schließlich ein Betrieb vom Bosch Car Service. Logos und Arbeitssachen der verbliebenen Mitarbeiter wurden getauscht. Am weiteren Angebot änderte sich kaum etwas. Im Gegenteil, das Angebot bezog sich nun auf alle Automarken, das war sehr wichtig.
Ende des Jahres 2017 gab es aber doch die endgültige Hiobsbotschaft für das Cunewalder Tal und darüber hinaus: Das Autohaus Raffe wurde endgültig geschlossen. Die Geschäftstätigkeit wurde nun beendet und das vorhandene Areal samt Gebäuden zum Verkauf angeboten. Damit ging eine 85-jährige Firmengeschichte zu Ende, an der mehrere Generationen ihren ganz speziellen Anteil hatten. Ob jemals noch ein Unternehmen der Autobranche mit solch einer Bekanntheit und Tradition in Cunewalde Fuß fassen kann, steht in den Sternen. Eine Lücke hat das Unternehmen jedenfalls hinterlassen.
Die Erklärungen zu den Bildern: Firmengründer Otto Raffe im Jahre 1934 mit seiner Werkstatt für Fahrräder, die markante Werkstatt von Werner Raffe zu DDR-Zeiten 1968 an der Hauptstraße in Cunewalde sowie der letzte Standort in Weigsdorf-Köblitz mit eigener Reklame.
Quellen: Ortschronik Cunewalde, Czorneboh-Bieleboh-Zeitung, Matthias Hempel, Torsten Hohlfeld