Weberstreik 1901
Der Cunewalder Weberstreik im Jahre 1901
Er war und bleibt ein Ruhmesblatt in der Geschichte der Oberlausitzer Arbeiterbewegung. Aber ganz der Reihe nach: Rund 700 Beschäftigte sind es zur Jahrhundertwende, die in den vier Textilfabriken des Cunewalder Tales arbeiteten. 1885 wurde die mechanische Weberei zwischen Czorneboh und Bieleboh im benachbarten Köblitz aus der Taufe gehoben. Ungewöhnlich schnell ging dann die Entwicklung der Fabrikweberei im Tal vor sich. Der bis dahin leicht hinterwäldlerische Charakter des Taldorfes wurde in relativ kurzer Zeit beseitigt. Selbstverständlich begünstigt durch den Bau der wichtigen Bahnlinie von Großpostwitz über Köblitz bis nach Obercunewalde.
Die Textilbarone jedoch zahlten magere Hungerlöhne, die sie einfach aus der Zeit der Handweberei übernahmen. Cunewalde genoß den traurigen Ruf, die niedrigsten Löhne in der Oberlausitz zu zahlen. Sie differenzierten mit den Löhnen in anderen Orten bis 25%. Während ein Arbeiter in Cunewalde binnen 14 Tagen im Durchschnitt 18 bis 20 Mark verdiente, wurden beispielsweise in Kirschau im gleichen Arbeitszeitraum 20 bis 48 Mark erreicht. Im benachbarten Oppach waren die Löhne in den Webereien auch höher als in Cunewalde. Ein Cunewalder Weber hatte einen Stundenlohn von 15 bis 17 Pfennigen, ein oberlausitzer Maurer dagegen verdiente 28 bis 37 Pfennige in der Stunde.
Im Jahre 1900 dauerte die Arbeitszeit allgemein von 6:00 Uhr früh bis abends 19:00 Uhr. Es gab Frühstücks- und Vesperpausen von je 30 Minuten und eine einstündige Mittagszeit. Die Arbeitszeit betrug also 11 Stunden. In Cunewalde wurden aber die Weberinnen und Weber nicht nach Stunden, sondern nach Stücken bezahlt. Während in anderen Orten die Leinenstücke 50m lang waren, betrug hier das Normalstück nahezu 56m. So mussten also die Textilarbeiter von Cunewalde an einem Stück länger arbeiten als ihre Kolleginnen und Kollegen in den Nachbarorten.
Im Laufe weniger Monate wurden die Löhne im größten mechanischen Webereibetrieb des Tales, nämlich bei der Firma Carl Kalauch in Köblitz, viermal gekürzt. Das war Ende 1900 sowie zu Beginn des Jahres 1901 so. Etwa 200 Arbeiter waren von diesen Lohnkürzungen betroffen. Im März 1901 wollten die Textilgewaltigen die Weberlöhne abermals um 10 bis 18% senken. Sie muteten damit den Arbeitern einen weiteren Lohnraub zu. Mit der Begründung, die Cunewalder Erzeugnisse seien auf dem Markt nicht mehr konkurrenzfähig, wurde am Montag, dem 11. März 1901 diese erneute Lohnsenkung in den Fabriken bekannt gegeben. Ein feiner Wochenanfang. Gleich in den frühen Morgenstunden gab es in allen Betrieben deswegen heftige Diskussionen. Die revoltierenden Textilarbeiter lehnten die erneute Anmaßung der Kapitalisten ab und begannen zu streiken.
Die Standhaftigkeit und der Zusammenhalt der textilen Lohnarbeiter sorgten schließlich für einen beispiellosen Klassenkampf. Fast 600 Weberinnen, Weber und ihre Meister legten gleichzeitig und gemeinsam die Arbeit nieder. In dem lang gestreckten Cunewalder Tal zwischen Halbau und Halbendorf standen jetzt alle Räder still. 16 Wochen lang dauerte der große Streik, an dessen Ende eine bessere Entlohnung und eine gerechtere Arbeitszeit standen. Andere Quellen sprechen sogar von 22 Wochen. Sogar die Familie von Polenz fungierte in dieser Zeit als Vermittler und konnte mit Kompromissen zu einer Schlichtung beitragen. Solidarisch mit den Streikenden zeigten sich auch Arbeiter und Firmen aus allen Teilen Deutschlands, aus Österreich und dem deutschsprachigen Norden der Schweiz durch ihre Spenden in Höhe von zusammen 35000 Mark. Wenig später, im Jahre 1904, standen noch einmal fast 800 Webstühle in Cunewalde still. Denn eine bis dahin nie dagewesene Wirtschaftskriese erschütterte das Land und somit auch unser Cunewalder Tal, der fast 1000 Arbeitslose zum Opfer wurden.
Die folgenden Bilder zeigen das Gasthaus "Zum goldenen Schiff" in Cunewalde, wo im mittlerweile abgerissenen linken Saalbau die größte Streikversammlung stattfand. Darunter das Ensemble der Weberei Carl Kalauch in Köblitz sowie Webstühle und Automaten zum Herstellen von Textilien.
Quellen: Ortschronik Cunewalde, Czorneboh-Bieleboh-Zeitung, Matthias Hempel, Torsten Hohlfeld