Sächsischer Hof
Die Mittelcunewalder Hauptschenke, auch Mittelschenke, später Sächsischer Hof
Der allen Cunewaldern bekannte "Sächsische Hof" hatte zweifellos eine wechselvolle Geschichte. Leider ist nicht alles von diesem markanten Gebäude an der Cunewalde Durchfahrt nachvollziehbar, geschweige denn nachweislich überliefert. Glücklicherweise existieren jedoch alte Aufzeichnungen zum Schankwesen in Cunewalde, welche die wichtigsten Punkte und Etappen der Geschichte aufzeigen:
Seit wann es dieses Gasthaus gab, lässt sich nur vermuten. Ob es bereits im Jahre 1721 zur Gründungszeit der Mittelcunewalder Schützengilde bestanden hat, ist nirgendwo vermerkt. Jedenfalls war es seitdem und bis zur Erbauung des damaligen Schützenhauses im Jahre 1883 die sogenannte "Schützenschenke". Vermutungen legen nahe, dass dieses Gebäude der Schützengilde als Stammhaus gedient haben könnte. Bei einer Übergabeinventur von 1795 an den späteren Käufer der Oberschenke, Gottlieb Zänker, werden genannt: Eine große Schankstube mit Schankhäusel, eine kleine Stube, ein Schützenkeller, eine Schützenküche, eine Schützenstube, ein Fleischgewölbe, eine herrschaftliche Stube (vermutlich das Gerichtslokal) sowie ein Tanzsaal. In der Schankstube befand sich ein Halseisen für Raufbolde, außerdem gab es ein Gerichtsgefängnis mit vier Beinschellen, einer Handschelle und Reserveketten. Die Schützengilde übte im Auftrag der Grundherrschaft die Rechtsaufsicht im Ort aus und besaß besondere Befugnisse. Ihr gehörten vor allem solche Personen an wie der Förster, der Verwalter, der Müller, der Bauer und weitere, die in einem Verhältnis der Abhängigkeit zum Hof standen. Zum "Mittelkretscham", wie das Haus auch noch genannt wurde, gehörten ebenso ein Kuhstall, eine Scheune, ein Gaststall, zwölf Scheffel Acker, zwei Scheffel Wiese und fünf Scheffel unfruchtbares Land, auch als Lehde bezeichnet. Letzteres diente dem Weiden von Schafen. Verpächterin war Frau Auguste von Ziegler und Klipphausen und ihre Tochter. Es wurde festgelegt, dass nur Bier und Kornbrand sowie Wacholderschnaps aus der herrschaftlichen Brauerei und Brennerei ausgeschenkt werden durfte.
Nach einem Protokoll der "Polenzschen Gerichte" ist die Mittelschenke am 30.05.1836 von einem Karl Gottlob Wendler gekauft worden. Am 20.04.1841 übernahm sie Friedrich Wilhelm Kosmahls und am 19.01.1844 hieß der Gastwirt Johann Gottlieb Friedrich Ringel. Im Jahre 1912 war der damalige Gastwirt Carl Golbs mit einem Angebot in Zeitungen sowie in der Broschüre "Das Cunewalder Tal und seine Umgebung" im Gespräch. Er empfahl billige Fremdenzimmer, kalte und warme Speisen, gute Getränke sowie ein Lohnfuhrwerk und eine häusliche Fleischerei. Unter den Veranstaltungen auf dem Saal waren es vor allem die Fastnachtsfeiern, welche über den Ort hinaus bekannt waren.
Inzwischen gesichtete Unterlagen der Cunewalder Chronik verdeutlichen die weitere historische Geschichte: Carl Golbs verkaufte den "Sächsischen Hof" am 28.04.1934 für 35.000 Reichsmark an Helmut und Gertrud Herrmann. Mit dem 16.09.1941 wurde der Landwirt und Kaufmann Bronislaw (Bruno) von Zojdz als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Im Jahre 1952 übernahm Willy Israel das Anwesen. Einer Mitteilung vom Rat des Kreises, Bewertungsstelle, vom 30.07.1954 zufolge belief sich der Einheitswert der Gebäude auf 18.700,00 DM. Im September 1958 übernahm die damalige Konsumgenossenschaft Cunewalde die Fleischerei im "Sächsischen Hof". Im Jahre 1961 wurde der Konsum zum Eigentümer des gesamten Komplexes. Die Gastwirtschaft blieb fortan geschlossen. Ein Saalbetrieb fand nur noch selten statt. Meistens waren es kleinere Ausstellungen hiesiger Kleintier- und Züchtervereine. Mit der Übernahme durch den Konsum wurde die Eröffnung eines Textilgeschäftes vorbereitet, welches neben der Fleischerei bis zur Wende recht erfolgreich betrieben wurde.
Zu Beginn der 1990er Jahre und mit dem Auszug der letzten Mieter im 1. Obergeschoss begann schließlich der endgültige Verfall dieses stattlichen Gebäudes. Der Konsum veräußerte das Anwesen. Es fand vermutlich als Spekulationsobjekt neue Eigentümer, welche leider das Gebäude aus der Ferne sich selbst überließen. Letztendlich erwarb die Gemeinde Cunewalde das gesamte Haus. Wenig später dann, am 01.07.2003, stürze es dem schlechten Zustand geschuldet, in sich zusammen. Das gesamte Dach vom Saal brach nach innen durch und auch Teile vom Nordgiebel stürzten ein. Bei den Abriss- und Aufräumarbeiten wurde ein alter Brunnen bzw. eine Wasserfassung entdeckt. Offensichtlich war er Jahre zuvor zugeschüttet worden. Gesichert wurde auch eine Vielzahl handbehauener Granitsteine.
Mit Fördermitteln von Bund und Freistaat Sachsen erfolgte zuletzt die aufwendige Beräumung sowie eine völlige Neugestaltung des gesamten Geländes. Sie fand im Jahre 2016 mit der Gestaltung der Freiflächen und dem Bau eines Wasserbeckens ihren Abschluss. In Erinnerung an dieses große, geschichtliche und markante Gebäude findet alljährlich auf dem Platz vom "Sächsischen Hof" ein kleines Brunnenfest statt. In kleiner und gemütlicher Runde wird dazu bei besten Speisen und Getränken den Klängen der Blaskapelle der Freiwilligen Feuerwehr Cunewalde gelauscht.
Quellen: Ortschronik Cunewalde, Czorneboh-Bieleboh-Zeitung, Hellmut Schwer, Torsten Hohlfeld