802 Jahre Cunewalde 1222 - 2024

Kriegerdenkmal Kugel


Das Cunewalder Kriegerdenkmal für die Gefallenen der Feldzüge 1866 und 1870/71

Bis zum 8. Mai 2008 galt das Cunewalder Kriegerdenkmal als verschollen. An diesem Tage fand Manfred Hempel bei Grabungsarbeiten auf seinem Grundstück in Cunewalde die Überreste des Kriegers aus Bronzeguss, was sofort für Aufsehen im Ort und der Oberlausitz sorgte. Denn das Geschehen machte Schlagzeilen in der Presse und im Fernsehen. Mit dem Fund des Torsos endete schließlich eine ganz eigene Geschichte im Cunewalder Tal, ausgehend von den kriegerischen Feldzügen gegen Frankreich 1866 und 1870/71 in einem Zeitraum von über 140 Jahren. Es ist dem Cunewalder Chronisten Helmut Schwer (1920-1999) zu verdanken, dass dieses Kapitel zur Errichtung des Denkmals nahezu vollständig und ausführlich vorhanden ist. Im Jahre 1993 verfasste er hierzu einen Bericht für die Ortschronik, nachdem Else Grohmann die hierzu wichtigen Unterlagen übergeben hatte. Aus den Unterlagen geht hervor, dass die Errichtung eines solchen Denkmals von der ersten Absichtserklärung im Jahre 1894 bis zur Verwirklichung im Jahre 1903 fast ein Jahrzehnt brauchte. Bewegung kam erst im Jahre 1900 in das Vorhaben. Helmut Schwer berichtet:

Im Jahre 1900 hatte der Fabrikant Carl Rätze, Inhaber der Textilfirma Johann Gottlieb Rätze an der Cunewalder Reichenstraße, mit weiteren Mitgliedern des Militärvereins Cunewalde ein Komitee zur Vorbereitung der Errichtung eines Kriegerdenkmales gegründet. Er selbst übernahm zunächst den Vorsitz, musste ihn aber aus gesundheitlichen Gründen im April 1901 wieder abgeben. 1902 verstarb er im Alter von 52 Jahren. Es wurde der Architekt und Baurat Th. Quentin beauftragt, Entwürfe vorzulegen und mit Firmen Kontakte herzustellen. Dabei bevorzugte er Firmen, die er aus früheren Geschäften kannte und die, wie aus den vorhandenen Schriftwechseln zu erkennen ist, ihm ganz besonders nahestanden. So erhielt die Galvanoplastische Kunstanstalt Geislingen/Württemberg den besonderen Vorzug und sollte unbedingt den lukrativen Auftrag einer Kriegerstatue erhalten. Auch das Meißner Granitwerk Oswald Köhler für die Lieferung des Postaments in rotem Meißner Granit empfahl der Architekt Th. Quentin aus Pirna in besonderem Maße. Aber beide Firmen lagen in ihren Angeboten bedeutend höher als die Kostenanschläge hiesiger Anbieter, wie z.B. H. Vahsen Granitgeschäft in Halbendorf, Krämer und Richter in Bederwitz, Liebscher in Beiersdorf und Hantusch in Oppach.

Im April 1901 hatte sich das Kriegerdenkmalkomitee neu formiert, Wilhelm von Polenz wurde zum Ehrenvorsitzenden und Louis Hebold als Vorsitzender übernahm den Schriftverkehr, unterstützt vom Fabrikbesitzer Friedrich Kloß. Es zeigte sich, dass die finanziellen Mittel recht knapp waren und man war auf Spenden und auf Sammlungen angewiesen. Auf einer Sammelliste, die sich auf das gesamte Sachsen bezog, wurden 2864,06 Reichsmark ausgewiesen. Darunter unter anderem vom Kriegerbund Cunewalde 100,00 RM, vom Turnverein Cunewalde 65,00 RM, vom Militärverein Obercunewalde 60,00 RM, vom Turnverein Obercunewalde 10,00 RM, von der Feuerwehr Schönberg 8,00 RM, von Wilhelm von Polenz 300,00 RM und vom Hofrat Sachse 20,00 RM. So war man darauf angewiesen, sich auf die preisgünstigsten Angebote zu konzentrieren. Im besonderen Maße war der Fabrikbesitzer Friedrich Kloß bemüht, preisgünstigen Anbietern den Vorzug zu geben. Friedrich Kloß galt als Mann schneller Entschlüsse und war auch in der Lage, finanzielle Unterstützung zu geben. So kam im Juni 1903 zwischen ihm und der Erzgießerei Th. Lenz ein Vertrag zustande, der vorsah, dass die Nürnberger Firma die Figur eines Kriegers nach dem abgeänderten Modell des Bildhauers Ladow in bester Bronze zu gießen und den Transport nach Cunewalde zu tätigen hatte. Hierfür verspricht Herr Kloß die Summe von 3000,00 RM zu bezahlen, sobald die Figur in Cunewalde eingetroffen ist. Die Galvanoplastische Kunstanstalt Geislingen/Württemberg war trotz ihrer großen Bemühungen und mehrerer Besuche von Vertretern leer ausgegangen und schien, gem. Schriftwechsel, sehr verärgert gewesen zu sein.

Den Zuschlag zur Anfertigung des Postamentes sowie weiterer Granitstufen und Säulen erhielt die Firma H. Vahsen, Granit- und Syenitwerke Halbendorf. Es war ein Gesamtpreis von 2000,00 RM vereinbart worden, einschließlich Aufstellung bei Stellung eines Steinmetzes. Der Entwurf für das Denkmal stammte vom Baumeister J.W. Roth aus Neugersdorf. Als Standort hatte man sich das Straßendreieck Dorfstraße-Klipphausenstraße nahe des Gasthauses "Blaue Kugel" ausgewählt. Maurermeister Emil Große aus Mittelcunewalde fertigte dafür einen Lageplan im Maßstab 1:250 an. Erkennbar ist, dass die Straßenführung nach Klipphausen sicherlich etwas verändert werden musste. Von einem Herrn Grönert hatte man eine Skizze über die Gesamtansicht des geplanten Denkmals anfertigen lassen. Für die Fertigstellung war als Termin der 2. September 1903 anberaumt worden, der aber nicht eingehalten werden konnte. Baumeister Roth hatte am 24. Juli 1903 eine genaue Zeichnung mit einem Lageplan im Maßstab 1:100 angefertigt. Danach hatte der Bronzeguss der Firma Lenz eine Gesamthöhe von etwa 4,0m bis zur Fahnenspitze und eine Breite ab Postament von 1,20m x 1,20m. Auf einem angedeuteten Stein mit einem Kanonenrohr kniete ein Krieger aus dem Feldzug 1870/71, welcher in der linken Hand ein Gewehr und in der rechten Hand eine Fahne hält. Er war freilich auch feldmarschmäßig gekleidet und trug die damals übliche Pickelhaube. Das von der Firma H. Vahsen angefertigte Postament hatte eine Höhe von 1,60m. Es war ringsum umgeben von zwei Stufen im Viereck. In der Mitte der Vorderseite des Postaments befand sich eine Schrifttafel mit Inschrift: "Den tapferen Kriegern der Feldzüge 1866 und 1870/71, die dankbare Parochie Cunewalde". Nach dem Entwurf von Baumeister Roth hatte der Standort innerhalb des Straßendreiecks die Maße 13,0m x 13,0m x 13,0m und war umsäumt von runden Granitsäulen, zwischen denen schmiedeeiserne Ketten angebracht wurden. Die Ecksäulen erhielten noch eine Verzierung durch eine Granitkugel. Zur Mitte führte eine feine Mosaikpflasterung und an die Seiten wurden Koniferen (Zedern) gepflanzt.

Neuer Termin für die Einweihungsfeier des Denkmals wurde der 26. Oktober 1903. Das war der Kirmesmontag, damals noch ein Feiertag und man war bemüht, einen großen festlichen Rahmen zu schaffen. Die Einwohnerschaft des gesamten Cunewalder Tales sollte an diesem festlichen Ereignis teilnehmen. Ebenso viele auswertige Gäste, darunter hohe Offiziere der benachbarten Garnisonen, der Divisionspfarrer, Vorstände benachbarter Militärvereine, der Bürgermeister der Stadt Löbau und der Vorsitzende des Amtsgerichts. Da der Montag in anderen Orten ein Arbeitstag war, kamen viele Absagen. Es handelte sich ja um einen kirchlichen, örtlichen Feiertag. So war das Festprogramm:

Ein großer Festumzug mit Musik durch die Orte Obercunewalde, Cunewalde und Weigsdorf, nicht öffentliche Tanzmusik für die Festtagsteilnehmer im Schützenhaus Mittelcunewalde-Klipphausen bis 2 Uhr nachts, Abhaltung von Tanzmusik nach einem Militärkonzert am 27. Oktober bis 2 Uhr nachts im Schützenhaus. Das Fest war ein großes Ereignis für das gesamte Cunewalder Tal. Es wurden viele Ansprachen von Persönlichkeiten des Ortes abgehalten. Aber auch auswärtige Gäste kamen zu Wort. Das Denkmal galt in der Umgebung als eines der größten und architektonisch schönsten, aber es gab auch Meinungen, wonach das Standbild des Kriegers, der seinen Blick nach Westen, also nach Frankreich richtete, nicht dazu angetan wäre, für eine friedliche Zukunft zu werben.

Das Denkmal erlebte natürlich auch die beiden Weltkriege mit Millionen von Opfern. Nach dem Ende der Naziherrschafft sehnten sich die Menschen nach einer Zukunft in Frieden, alles Militärische sollte verschwinden. Im Jahre 1946, das genaue Datum ist nicht bekannt, wurde der bronzene Krieger samt Kanone vom Sockel gestürzt. Noch ist ungeklärt, ob es dafür eine amtliche Verfügung gab oder ob es sich um eine Aktion von Denkmalgegnern handelte. Erwiesen ist jedoch, dass der Altstoffhändler Paul Hempel und dessen Sohn Willy den beschädigten Körper des Nachts zur Seite schafften und auf ihrem Grundstück vergruben. Es war eine mehr als beherzte, ja sogar absolut gefährliche Aktion. Wäre sie aufgeflogen, hätte sie leicht zu schwersten Bestrafungen führen können. Das Denkmal galt seitdem als verschollen bzw. es hielten sich Berichte, wonach es eingeschmolzen worden sei. Noch bis Ende der 1950er Jahre verblieben der Sockel und die dreieckige Einfassung aus Granitsäulen am Ort. Mit dem Ausbau der Hauptstraße und der Straße nach dem Ortsteil Klipphausen wurden die Säulen beseitigt.

Und wie anfangs erwähnt, kam das Denkmal im Mai 2008 wieder ans Tageslicht. Schon im Sommer 2008 war eine rege Diskussion über den künftigen Umgang mit diesem Denkmal im Gange. Der vom Cunewalder Gemeinderat gebildete beratende Ausschuss für Museen und Denkmale befasste sich mehrfach mit dem Thema, das durch die Unterschriftensammlung für eine öffentliche Aufstellung noch zusätzlichen Rückenwind erhalten hatte. Schließlich entschied der Gemeinderat in seiner Sitzung im Januar 2009. Er beschloss die "Aufstellung" des Denkmals in seinem "jetzigen" Zustand und lehnte zugleich die Variante einer vollständigen Wiederherstellung des Denkmals in seiner ursprünglichen Form am ehemaligen oder einem anderen Standort mehrheitlich ab. Die überwiegende Anzahl der Gemeinderäte war der Auffassung, dass der Torso des Kriegers in seinem derzeitigen Zustand die Geschichte der zurückliegenden Jahrzehnte wohl so am besten "nacherzählen" kann. Es war die Aufstellung im neuen Gemeinde- und Bürgerzentrum vorgesehen. Eine Dokumentation sollte die notwendigen Erläuterungen beinhalten, faktisch als letztes Kapitel eines wechselvollen Teiles der Cunewalder Geschichte. Bis zum 23. April 2023 lag der Torso im Gemeinde- und Bürgerzentrum Cunewalde im Keller nichtöffentlich unter Verschluss und "ertrank" sogar beim Hochwasser 2010. Anlässlich des besagten Termines, dem 15-jährigen Jubiläum des neuen Rathauses, wurde jener Krieger im Vorraum unserer Ortschronik aufgebaut und der interessierten Öffentlichkeit vorgestellt. Damit ist er wieder ein sichtbarer Zeitzeuge der bewegten Cunewalder Geschichte geworden.

Quellen: Ortschronik Cunewalde, Oberlausitzer Heimatblätter, Matthias Hempel, Torsten Hohlfeld