Polenzgruft
Die Polenzgruft, ein Cunewalder Baudenkmal und seine Geschichte
Beim Betreten des unteren Friedhofgeländes von der Dorfseite her, fällt dem Besucher hinter einer Reihe von Zedern der Bau des markanten Grufthauses auf. Das zunächst als Sachgesamtheit zum Friedhof Cunewalde gehörende Einzeldenkmal befindet sich auf dem Flurstück Niedercunewalde Nr. 96/2 und ist gemäß Liste der Kulturdenkmale bau- und ortsgeschichtlich von Bedeutung. Erläuterungen auf einer Tafel neben der zweiflügeligen Eingangstür geben Auskunft über das denkmalgeschützte Bauwerk. In dieser Grabstätte wurde der weit über die Grenzen seiner Heimat bekannte Schriftsteller und Dichter Wilhelm von Polenz nach seinem Tod am 13. November 1903 beigesetzt. Er wurde nur 42 Jahre alt. Das noch im Baustil des Barock im Jahre 1802 errichtete Grufthaus ließ ein Enkel des Carl Gottlob von Ziegler und Klipphausen aus dem Obercunewalder Rittergut errichten.
Das abgewalmte Grufthaus besitzt einen von schwachen Mauern getragenen flachen und 175cm breiten Deckengewölbegang entlang der Umfassungswände aus Ziegelsteinen. Dieser, mit einem geschmiedeten Geländer gesicherte Gang umschließt eine 170cm x 365cm große Deckenöffnung mit anfänglichem Blick auf die Särge der Beigesetzten in den Kellerraum. Die Geschoßhöhe des Kellers, gemessen von dem scheinbar nicht befestigten Kellerfußboden bis zur Oberkante der Kellerdecke beträgt rund 230cm. So weit erkennbar, besteht das kellerumfassende Mauerwerk aus behauenen Feldsteinen. Es scheint das ursprüngliche Mauerwerk jener Kelleranlage zu sein, welche später mit dem Grufthaus überbaut wurde. Die Gewölbestützmauern im Keller sind mit Ziegelsteinen aufgemauert und dürften damit zum Zeitpunkt des Baues vom Grufthaus errichtet worden sein. Längs der Pfeiler liegen 20cm x 30cm große feingespitzte Granitschwellen als Standunterlage der Sargfüße. Diese Schwellen reichen von der östlichen bis zur westlichen Raumbegrenzung. Die letztere stellt gleichzeitig eine Art Trennwand zur noch vorhandenen Kellergruft des Zieglergeschlechtes vom Rittergut Niedercunewalde und deren nachfolgenden Erben dar. Der Erdgeschoßraum war früher über einem noch vorhandenen Stucksims durch eine geputzte Decke abgeschlossen. Bei einer späteren, teilweisen Auswechselung verschiedener Dachsparren und Dachstuhlhölzer ist wahrscheinlich der Deckenputzträger mit dem Deckenputz nicht mehr erneuert worden. Die Dachhaut besteht von Beginn an aus Dachziegel. Für die Traufsimsausbildung wurden Ziegelsteine verwendet. Die Innenwandflächen sind glattgeputzt und weiß gestrichen. Der Außenputz ist ebenfalls glatt, wobei der Sockel, die Gebäudeecken und Umrahmungen der drei liegenden, ovalen Belüftungsfenster an der Ost- und Südseite durch Putzverstärkungen aus der Fläche herausgehoben und durch verschiedene, farbliche Behandlungen noch wirkungsvoller sind.
Spätestens in den 1980er Jahren wurde offensichtlich, dass dieses Grufthaus stark baufällig und nur durch baldige Renovierung zu erhalten war. Zunächst war nach Kenntnis dieser Sachlage durch das Pfarramt, die Gemeinde und der Familie um Erich von Polenz in Bautzen unklar, ob die Gruftanlage ein Objekt der Enteignungen durch die Bodenreform bzw. Vertreibung der Familie im Jahre 1945 war oder nicht. Die Renovierung stellte nicht nur eine finanzielle Last, sondern in damaliger Zeit auch ein enorm materielles Problem dar. Man hatte zwischen Renovierung und Abriss zu entscheiden. Staatliche Stellen wurden zur Klärung eingeschaltet. Im Oktober 1984 erhielt Erich von Polenz den schriftlichen Bescheid, dass er nach gültiger Rechtsauffassung nicht für Erhaltung oder Abriss der Gruftanlage verantwortlich sei. Schließlich erklärte sich im Jahre 1985 die Gemeinde Cunewalde gemeinsam mit dem Kulturbund bereit, die Polenzgruft als geschütztes Kulturdenkmal zu übernehmen. Der Kreis Löbau stellte die finanziellen Mittel zur Verfügung. Ein wirklich sehr gutes Zeichen für die Zukunft der Grabstelle.
Schon im Sommer 1985 wurde mit der Dacherneuerung begonnen. Im Herbst des gleichen Jahres wurde der sich in einem katastrophalen Zustand befindliche Gruftkellerraum aufgeräumt und saniert. Auch die Särge wurden wieder geordnet aufgestellt. Im Oktober des Jahres 1985 erfolgte dann die Konservierung des gesamten Kellergeschosses samt den Särgen durch Aufschütten einer 1,50 m hohen Sandschicht. Eine Zugehörigkeit bzw. Reihenfolge der Särge zu den Verstorbenen war nicht mehr möglich. Beschriftungen gab es nicht. Nur bei einem Sarg war die Identität durch Überlieferung klar. Nämlich bei dem Metallsarg der Hertha, Wilhelms älterer Schwester. Sie war 1898 an Masern gestorben. Ihr Sarg wurde mit der Eisenbahn von Posen, wo sie nach ihrer Heirat gelebt hatte, nach Cunewalde überführt. Die Besucher des Grufthauses können also heute auf dem breiten und mittels schmiedeeisernen Geländer gesicherten Deckengewölbegang (Umlauf) nicht mehr die Särge, sondern nur noch die zahlreichen an den Wänden angebrachten Gedenktafeln für die in der Gruft beerdigten Menschen betrachten. Im Juni 1986 war auch die Außenrenovierung beendet. Ein besonderer Wert wurde auf die Restaurierung der kunstvoll gearbeiteten Innen- und Außentürflügel gelegt.
Seither war die Polenzgruft nur wenige Male für Besucher geöffnet. Der Zahn der Zeit nagte jedoch unaufhörlich am Objekt weiter. Gemeinsam mit Mitgliedern der alternden Ortsgruppe des Sächsischen Heimatschutzes entschied sich die Gemeinde Cunewalde, zur Generierung finanzieller Mittel eben jenem Landesverein Sächsischer Heimatschutz e.V. beizutreten. Das geschah durch einen Beschluss im Gemeinderat zum 01.01.2022. Noch im gleichen Jahr erfolgte dann eine sehr dringend notwendige Instandsetzung des gesamten Grufthausdaches. Die Kosten hierfür beliefen sich auf etwa 7500,00 Euro, davon waren 4500,00 Euro aus Spenden zahlreicher Mitglieder und Freunde der Polenzfamilie eingeflossen. Den Rest steuerte die Gemeinde Cunewalde und eben der Landesverein Sächsischer Heimatschutz e.V. bei. Damit waren nun wieder Voraussetzungen geschaffen, um der Öffentlichkeit den Besuch der Polenzgruft zu ermöglichen. Zum Tag des offenen Denkmals am 10. September 2023 war das Baudenkmal am Cunewalder Friedhof für zahlreiche interessierte Besucher und Gäste geöffnet.
Quellen: Ortschronik Cunewalde, Familie von Polenz, Herbert Kutschke, Torsten Hohlfeld