Cuno vom Walde
Eine mögliche Erklärung über die Entstehung des Namens Cunewalde
Zwischen Bergen das lange, breite Tal. Ein Bach, reich an Waser, fließt von Osten nach Westen dahin, bis er in einem nahen Fluss sein Ende hat. Der Uferrand und das weite Land sind ein wilder Naturwald, keines Menschen Hand rührte ihn an. Es gedeihen Laubhölzer aller Arten, Weide, Erle, Eiche, Esche, Ulme und Ahorn, nur an höher gelegenen Stellen Birken oder Buchen. Im Maien blühen Schneeball, Eberesche, Schlehe, wilder Apfel und Birne um die Wette. Am Wasser leuchtet die Dotterblume, blickt hellblau das Sumpfvergissmeinnicht, flutet der Hahnenfuß. Der Bach hat wilden Lauf, an einigen Stellen verlässt ein Teil des Wassers sein Bett, es sucht sich seine eigene Bahn. Nach Gewittern und heftigen Regengüssen gleicht er fast einem Strome, lehmig ist die Flut und reißend. Da und dort sinkt wohl ein Stamm nieder. Allerlei Geröll sammelt sich an, eine Insel bildet sich und niemand wehrt oder bahnt.
Kiefer, Fichte und Lärche sieht man im Grunde kaum, aber seitwärts an den langen Berghängen stehen sie. Die weite Niederung ist der Wohnplatz des Gevögels. Ente, Graugans, Storch und das Wasserhuhn finden reichlich Nahrung, im Geäste singt und pfeift es. Star, Amsel, Fink, Bachstelze, Drossel, Pirol und Meise freuen sich des Lebens. Droben kreist der Greif, schwirrt die Schnepfe und nachts geistert eine Eule um die Wipfel. Der Bach ist reich an Fischen und Krebsen. Wer fängt sie? Der Storch ist Herr und andere Sumpfvögel. Weithin weder Feld, Wiese, Garten, ein Paradies für Vögel und anderes Getier.
Eines Tages naht von Westen her ein seltsamer Zug. An leichtgebaute Wagen sind starke Rinder gespannt. Junge, stattliche Frauen mit ernstem Gesicht hocken auf Säcken und allerlei Hausgerät, während starke Männerfäuste das Gefährt vorwärts treiben und es lenken. Ansiedler kommen. Der deutsche König schenkte den Talgrund einem Ritter oder der Kolonistenführer kaufte das Land. Er möchte es an die jungen Leute, die er in Franken, Thüringen, Hessen, in Bayern oder am Rheine auswanderungslustig fand, zu seinem Nutzen weiter verkaufen und aufteilen. Die Wandernden rufen Cuno nach ihm, er bringt sie aus überreich bevölkerten Gegenden hinein in den einsamen, wilden Wald. Da wollen sie ihre Gehöfte errichten, einen neuen Ort gründen. Der Grund und Boden wird abgeteilt und leidlich vermessen. Lange Streifen ziehen sich vom Bache aus links und rechts nach den Bergen zu, Hufen genannt. Der schmale Talgrund bleibt frei, er gehört der Gemeinde und wird dem Hausgevögel und dem borstigen Schweine als Weide dienen. Auf der Höhe, an beiden Seiten des Wassers werden die ersten einfachen Wohnstätten erbaut. Holz gibt der nahe Wald, Schilf steht genug im Grunde und Stroh wächst im kommenden Jahre auf kleinen, mageren Feldstücken. Auch Scheunen werden hier errichtet, Gehöft neben Gehöft in zwei langen Reihen das Tal hinauf gebaut. Vieles verändert sich.
Der Führer behält sich zwei oder drei größere Grundgebiete, auch er sorgt für ein Haus, es ist jedoch stattlicher als die anderen und er bildet sich einen Hof. Die Ansiedler müssen ihm helfen, sie sind ihm dienst- und zinspflichtig und bleiben es. Er besitzt auch das Richteramt und gilt mehr als die anderen. Sein Hof wird durch Graben und einen Wall wehrhaft gemacht, es ist Grenzland, wer traut schon den feindlichen Nachbarn? Nach und nach wird es im Tale lichter, Baum und Strauch werden gerodet, die Bauern müssen Acker- und Brachland haben, sie wollen ernten, brauchen Brot für sich und ihre fröhliche Kinderschar. Der Wald wird zurück gedrängt, langsam zwar, aber sicher und sichtbar.
Die Nachbargemeinden suchen einen Namen für die neue Siedlung, man redet von Cuno im Walde, bald heißt es gekürzt Cunewalde. In diesem Namen ward dem Kolonistenführer ein Denkmal gesetzt. An der Stelle, wo vor 700 Jahren der erste Baum niedersank, steht ja keins, sie ist nicht einmal bekannt. Wer war der Mann? Wo kam er her? Wie war er gestaltet, wie gesinnt? Blieb er in der neuen Heimat? Fand er da sein Grab? Wo schaffen die Seinen? Auf all diese Fragen gibt es keine Antwort, kein Blatt, auch nicht ein altes Buch, gibt Nachricht. Wer zeichnete damals wichtige Dinge auf? Die Leute hatten mit sich selbst genug zu tun, mussten das Leben meistern, niemand dachte an Schreibwerk.
Heute sehen wir im Tal einen großen Ort, stattliche Häuser, feste Gehöfte, Schulen, die große Kirche, Fabriken, zwei Rittergüter, Straße und Eisenbahn, regen Verkehr. Alles sagt von kräftigem Wollen, von deutscher Tüchtigkeit. Erwachte der Cuno von einst zum Leben, könnte er das Werk beschauen, das seine Tatkraft begann. Er würde staunen, sich freuen und frohgemut ausrufen: Du Dorf zwischen den Bergen, meine Augen sehen dich gern. Ich liebe dich. Schaffe und strebe, wachse, blühe und bleibe, was ich war. Cuno im Walde, du mein Heimatort, stattlich und nett, in Baum, Wiese und Feld gelegen. Und bleibe mein altes, gutes, liebes und schönes Cunewalde für alle Zeit, bis in Ewigkeit.
Quellen: Zeitschrift "Unsere schöne Heimat" vom Oktober 1935, Torsten Hohlfeld