802 Jahre Cunewalde 1222 - 2024

Deutsches Haus


Ein großes Gasthaus mit noch größerem Namen

Das stattliche Gebäude an der Hauptstraße am Abzweig nach Schönberg, wurde vermutlich schon Ende des 18. Jahrhunderts gebaut. Der alte, ursprüngliche Bau (cat. 84 Niedercunewalde) war ein kleines, einstöckiges Gebäude. Den Namen "Deutsches Haus" trug es damals noch nicht. Aus einer Realgenehmigung vom 19.05.1804 geht hervor, dass es dem Betreiber dort zustand, Wein, Bier und Branntwein auszuschenken, Kramhandel (Materialhandel) zu betreiben, zu schlachten und zu backen sowie Tanzmusik abzuhalten. Das Grundstück, Parc. 19a, besaß Karl Traugott Kutschke bis 1859.

Früher wurden in Schönberg einige Steinbrüche betrieben. Mit Pferdefuhrwerken wurden die großen, gebrochenen Steine abgefahren und oft führten die Transporte, damals noch linkerhand vom Gebäude, an der Schankwirtschaft vorbei. Eine gegenüberliegende, kleine Schmiede nutzten die Kutscher sehr gerne als Ausspanne und für Pausen. Daher entstand auch die Bezeichnung "Kutscherstube" für den vorderen Gastraum in der Wirtschaft. Wie in alten Unterlagen ersichtlich ist, stand das Gebäude am 16.02.1861 meistbietend zum Verkauf. Danach wechselten die Eigentümer mehrere Male, ehe 1868 Carl Traugott Hempel das Grundstück erwarb. Er trug das alte Wohnhaus ab und baute neu. Von jetzt an lautete der Name nur noch "Fuhrmannsschänke". Bis 1894 wurde sie von Carl Traugott Hempel betrieben. Dieser kaufte schließlich das stillgelegte Fuhrgeschäft Winkler an der heutigen Hauptstraße und errichtete dort eine kleine Gaststätte, später war es die alte, bekannte Fleischerei Hempel. Aus den Grundbüchern geht weiterhin hervor, dass im gleichen Jahr der Besitz der "Fuhrmannsschänke" an den Fabrikbesitzer Friedrich Wilhelm Kloß überging. Er war ein damaliger Großunternehmer und betrieb neben seiner Weberei mit Bleicherei und Färberei auch eine Dampfziegelei und bewirtschaftete 23 Hektar land- und forstwirtschaftliche Flächen. Einige Male wechselten unter ihm noch die Pächter. So warb im Jahr 1898 ein Pächter namens Mielsch mit einem Bockbierfest. Und 1904 hießen die Pächter August Dude und später Max Schuster. Ein Eugen Tietze ist ebenfalls laut einer Anzeige bekannt.

Im Jahre 1905 ließ Fabrikant Friedrich Wilhelm Kloß einen kompletten Neubau an der Stelle der alten "Fuhrmannsschänke" bauen. Dem Neubau gingen insgesamt 3 Entwürfe voraus. Ab dieser Zeit war der geläufige und prägende Name der großen und noch heute so erhaltenen Schänke einfach "Deutsches Haus". In der alten Broschüre "Das Cunewalder Tal und seine Umgebung" von 1912 empfiehlt sich der Besitzer des "Deutsches Hauses" allen Besuchern und Bewohnern des Cunewalder Tales und lädt zur Einkehr in seine behaglichen Räume freundlichst ein. Er bietet eine vorzügliche Küche, gut gepflegte Biere und Weine, aufmerksame Bedienung und schöne Fremdenzimmer. Nach dem Tod von Friedrich Wilhelm Kloß am 01. Juni 1926 kam Paul Herzog in den Besitz des "Deutschen Hauses". Die beiden Buchstaben "P. H." zieren seitdem den Hauseingang. Auch Karl Traugott Kutschke und Carl Traugott Hempel haben ihre Spuren im Gebäude hinterlassen. So ist beispielsweise am Hintereingang an der Schwelle die Inschrift "KTK" noch heute erkennbar.

Das Gasthaus und die Brauerei liefen prima. Es wurde großer Wert auf Geschmack und Qualität gelegt. Für das zu lagernde Bier durften die Keller eine bestimmte Temperatur nicht überschreiten. Kühlung so wie heute gab es nicht. Doch auch andere Biere wurden ausgeschenkt, zum Beispiel Wernesgrüner. Ab dem Jahre 1935 wurden die Gaststätte und die Fleischerei in getrennte Pacht vergeben. Die Gaststätte übernahm Erich Kurth, zuvor Pächter vom "Goldenen Schiff". Die Fleischerei betrieb von nun an Willy Kliem. Dessen Sohn Christian führte das Geschäft noch bis Anfang der 1970er Jahre fort.

Eine kleine Kehrtwende war das Jahr 1960. Von hier an übernahm die Konsum Genossenschaft und eröffnete am 14. Mai des gleichen Jahres das Gasthaus in neuen und modernen Räumen. Eine Woche später eröffnete ein Café im Obergeschoss. Die Betreiber wechselten noch mehrfach. Unter anderem Herbert Sabiwalsky (später Besitzer der Gaststätte in Halbau) und Konrad Scheppke (Friedrichshof Weigsdorf-Köblitz). Doch der Zahn der Zeit nagte weiter und dringende Reparaturen am Dach, in der Küche und im Sanitärbereich waren erforderlich. Versuche, das Haus zu verkaufen, scheiterten trotz Interessenten an den Behörden. Auch die Nutzung als Ferienheim stand im Raum. Doch auch das fand keine behördliche Zustimmung. Einzige Möglichkeit zur Fortführung als öffentliche Gaststätte war die Übereignung an die Gemeinde, was schließlich auch passierte. Erst im Jahre 1982 konnten durch die Gemeinde Cunewalde und viele Helfer alle notwenigen Sanierungsarbeiten durchgeführt werden.

Der 01. Mai 1983 schrieb dann wieder Geschichte: Familie Wagner übernahm vorerst das "Deutsche Haus" als Pächter und HO-Kommissionshändler. Anfänglich hatte das Gasthaus noch den Charakter einer Dorfschänke mit kleinem Speiseangebot. Kartenspiele, Würfeln bei Bier und Schnaps sowie der Frühschoppen am Sonntag waren Alltag. Mitte der 1980er Jahre wurden von der Gemeinde die Räume der alten Fleischerei zu einem Eiscafé umgebaut. Es wurde von Familie Grünwald über mehrere Jahre betrieben. Nach der Wende hatte Familie Wagner vor, das gesamte Objekt käuflich zu erwerben. Eine Rückübertragung an die Familie Herzog hatte schließlich zur Folge, dass Gisela und Manfred Wagner das "Deutsche Haus" von Familie Herzog 1994 käuflich erwerben konnten. Nun wurden die Einrichtung und die Küchentechnik erneuert und das Tätigkeitsfeld ausgeweitet. Auf vielen Weihnachtsmärkten, zu Sonnenwendfeiern an der "Edelfrau" und bei den Autocross-Veranstaltungen am "Matschenberg" boten Wagners ihre Speisen und Getränke an. Das Eiscafé wurde nochmals belebt, Tagesessen eingeführt und einen Lieferdienst für Essen gab es auch. Anfang der 1990er Jahre beherbergte das Gebäude im Obergeschoss sogar eine Videothek. Das "Deutsche Haus" blühte in dieser Zeit mächtig auf.

Nach insgesamt 40 Jahren, also im Jahr 2023, muss Familie Wagner ihr "Deutsches Haus" aus gesundheitlichen und altersbedingten Gründen leider aufgeben. Natürlich ist das nicht leicht, denn jahrzehntelange Tätigkeiten in der Gastronomie haben Spuren hinterlassen. Körperlich, aber auch besonders im Kopf sind unzählige, freudige Ereignisse geblieben, die prägend gewesen sind. Eine Überlassung innerhalb der Familie ist leider ebenfalls unmöglich. Deswegen sucht Familie Wagner schweren Herzens einen Nachfolger für dieses traditionsreiche Gasthaus mit dem großen Namen "Deutsches Haus". Wir wünschen auf diesem Wege alles Gute, sowohl für die Gesundheit des Wirtepaares vom "Deutschen Haus", als auch für die Suche nach einem ins Dorfbild passenden Nachfolger für das Gasthaus mit dem großen Namen. Unser "Deutsches Haus" muss leben.

Quellen: Ortschronik Cunewalde, Hellmut Schwer, Gisela und Manfred Wagner, Torsten Hohlfeld